Accessibility im Web

Best Practices für digitale Barrierefreiheit

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von Josua Muheim, Accessibility Engineer, Nothing Bern

Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass Webangebote von allen Menschen genutzt werden können, unabhängig von körperlichen Einschränkungen. Dies nützt allen Anwendenden, aber auch Suchmaschinen profitieren davon und die potenzielle Kundschaft vergrössert sich erheblich.

Mehr als 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung haben eine Einschränkung: Sie kann visuell, auditiv, motorisch oder kognitiv sein. Websites, Apps und andere digitale Anwendungen spielen im Leben dieser Menschen eine zen­trale Rolle. Sie bieten zuvor unvorstellbare Möglichkeiten, autonom zu leben. Leider werden bei deren Erstellung aber Menschen mit Behinderungen häufig kaum bedacht, und Kriterien der Barrierefreiheit nicht von Anfang an miteinbezogen.

Das Resultat sind technische Hürden, die alltägliche Tätigkeiten enorm erschweren, wie etwa Onlineshopping oder das Durchsuchen eines Fahrplans. Oftmals werden Nutzende komplett ausgegrenzt – und damit mögliche Kundschaft, darunter viele ältere Menschen.

Barrierefreiheit am Beispiel von Word

Word-Dokumente bieten vordefinierte Formatvorlagen an, um etwa Überschriften zu erstellen. Jedoch kennen viele Autoren diese Möglichkeit nicht; sie tüfteln stattdessen mit Schriftgrösse und Fettdruck, um das gewünschte visuelle Resultat zu erzielen. Webseiten-Code funktioniert sehr ähnlich: Es existieren hier ebenfalls vordefinierte Überschriftenelemente, und dennoch verwenden Entwickelnde stattdessen oft visuell gestylte Paragraphen.

In beiden Fällen leidet die Bedeutungsebene des Dokuments, die sogenannte Semantik, und ist somit für Maschinen schlecht auswertbar. Bei Word wird dadurch etwa die automatische Erstellung eines Inhaltsverzeichnisses verunmöglicht. Auch ein Screenreader, also ein Vorlese-Programm für Sehbehinderte, kann beim Verarbeiten der Website kein solches anbieten. Dadurch wird das Zurechtfinden in den Inhalten erheblich erschwert, denn Blinde können rein visuelle Attribute wie eben Schriftgrösse und Fettdruck nicht wahrnehmen. Korrekte Semantik bildet also den Grundbaustein für Barrierefreiheit und verständliche Inhalte, weshalb auch Suchmaschinen immens davon profitieren.

Best Practices für Design, UX und Code

Barrierefreiheit kann man nicht einfach am Schluss eines Projekts noch hinzufügen. Sie muss während der Erstellung iterativ implementiert und regelmässig sichergestellt werden. Bereits Designerinnen sollten Farbkontraste überprüfen – davon profitieren auch Normalsichtige, etwa draussen mit dem Handy bei gleissendem Sonnenlicht. UX-Experten sollten sich fragen, ob geplante komplexe Interaktionselemente und Animationen echten Nutzen bringen, da diese schwerer barrierefrei zu erstellen sind.

Für Entwickelnde hingegen gilt das oberste Gebot "Form follows function". Denn es existiert für fast jede Funktionalität ein entsprechendes HTML-Element, das verwendet werden soll; dieses kann anschliessend ansprechend visuell gestaltet werden. Dabei entsteht bedeutungsvoller Code, der auch die Wartbarkeit fördert, zudem robust und performant ist.

Wie erwähnt sollte das Produkt bereits während der Erstellung regelmässig überprüft werden; entsprechende Kompetenzen müssen im Team vorhanden sein. Interaktive Elemente etwa müssen mit der Tastatur allein erreichbar und nutzbar sein, Inhalte für Screenreader verständlich sowie Bilder mit einem Alternativtext ausgestattet sein. Abschliessend hilft die Evaluation durch unabhängige Expertinnen, um die Barrierefreiheit umfassend zu gewährleisten.

Webcode
DPF8_251232